Was brachte das "Kirchweih-Kolloquium?"


Der Förderverein Europa Begegnungen e.V. sieht neue Themen zu "Cranach und Torgau"




Im Zusammenhang mit der städtischen Großveranstaltung „Luthers Kirchweih-Fest“ hatte der Förderverein Europa Begegnungen e.V. zu einem wissenschaftlichen Kolloquium eingeladen, das am 6. Oktober 2018 im Plenarsaal, Schloss Hartenfels durchgeführt wurde.
Im Mittelpunkt standen die durch den Verein in Zusammenarbeit mit Spezialisten anderer Institutionen gelesenen und gedeuteten 500 Jahre alten Rötelinschriften im Wendelstein des Schloss Hartenfels.
Darüber referierten Dr. Cornelia Neustadt (Sächsische Akademie der Wissenschaften, Dresden) und Dr. Uwe Niedersen (Förderverein Europa Begegnungen e.V., Torgau).
Der dritte Vortrag, den Dr. Monika Lücke (Martin-Luther-Universität Halle) hielt, gab Informationen über Archivalien der Cranach-Werkstatt zur künstlerischen Ausgestaltung des Torgauer Schlosses während der Lutherzeit.
Nach dem Vortragsblock wurden Begehungen des Wendelsteins, der Spiegelstube und der kurfürstlichen Gemächer durchgeführt. Diese leiteten die Restauratorinnen und Spezialistinnen auf dem jeweiligen Gebiet: Mechthild Noll-Minor, Nadja Kühne und Cornelia Neustadt. Unterstützung gab es durch Birgit Wöste (TIC, Torgau).

Welche Erkenntnisse konnten im Zusammenhang mit dem Kirchweih-Kolloquium erzielt werden?
Zu den Rötelinschriften im Wendelstein:
Der Kurfürst und seine Räte sowie Luther und andere Reformatoren setzten um 1540 keine renaissance-humanistischen Sinnsprüche und auch keine Bibel-Textstellen mit dem Rötelstift in die Sandsteinwände des kurfürstlichen Schloss-Neubaus in Torgau.
Es waren vielmehr die Nachrücker, wenn wir so wollen, die aus der „zweite Reihe“, die nach dem Rötelstift griffen.
Auf der Grundlage unserer mehrjährigen Recherchen und durch das Abgleichen mit archivalen Tatsachen und Fakten können wir mitteilen, dass die Prinzen, die Söhne des Kurfürsten als Schreiber sehr wahrscheinlich infrage kommen; vielleicht auch die zugleich am Hof mit anwesenden Edelknaben. Edelknaben, das waren zu erziehende und zu bildende, die Hofgesellschaft bereichernde junge Adlige.
Des Weiteren waren Maler der Wittenberger Cranach d.Ä.-Werkstatt Rötelschrift-Schreiber. Dann gab es da vielleicht auch einen Kopisten aus der Kanzlei, der einen Text in den Sandstein setzte.
Auf Personen aus der großen Schar städtischer Gesandter zu den Sächsischen Landtagen in Torgau ist zu verweisen. Einige davon nahmen den Rötelstift, um mit ihrem aufgeschriebenen Namen einfach mitzuteilen: „Auch ich war hier!“. Das war dann schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Wir können als Kolloquium-Ergebnis weiter mitteilen, dass die Inhalte der Rötelinschriften den bisherigen durch die Kirchen-, Landes- und Kunstgeschichte erarbeiteten Kenntnisstand über das Schloss Hartenfels und über die damalige Residenzstadt Torgau nicht nur erreichen, vielmehr diesen darüber hinaus erweitern.
Da wurden zum einen Bekenntnisse der (neuen) lutherischen Kirche mit Rötel aufgeschrieben. Die Inschriften gehen auf die fünf Exklusivpartikel und auf das Gesetz/Gnade-Thema der lutherischen Theologie ein.
Wir erkennen in den Röteleinträgen weiter Aussagen, die das Wesen des kurfürstlichen Staates markieren. Zu nennen ist hierfür ein kurfürstlicher Machtwille, gepaart mit nützlichem und zweckmäßigem Regierungshandeln. Einigen Sinnsprüchen ist zu entnehmen, dass Rötel-Schreiber dies zum Ausdruck zu bringen trachteten.
Aber, so ist anzumerken, erreichen die Inhalte der Inschriften, wie gesagt, nicht nur Themen und Projekte, die die Schloss Hartenfels-Forschung bereits geleistet oder gerade in Arbeit hat.
Mit dem, was wir im Förderverein Europa Begegnungen e.V. gemeinsam mit unseren Außenpartnern an Rötel-Textzeilen gelesen und ausgewertet haben, können wir die Grenzen des bisher historisch Bekannten teilweise noch überschreiten.
Zu dem noch nicht Gewussten gehört, dass Maler der Cranach-Werkstatt Namen und Texte in den Wendelstein setzten.
Maler der Cranach-Werkstatt, die sich mit dem Rötelstift im Wendelstein des Torgauer Schlosses verewigten, waren Hans Rentz und sehr wahrscheinlich auch Ambrosius Silberbart vielleicht auch Hans Cranach, der älteste Sohn des Meisters. Diesen Entdeckungen ist weiter nachzugehen.
Dabei sieht es so aus, wie wenn der „Cranach-Forschung“ diesbezüglich von Torgau aus Impulse gegeben werden können.
Wer zu dem hier Geschriebenen Näheres und zugleich Spannendes erfahren möchte, dem sei das Buch „Rötelinschriften im Wendelstein von Schloss Hartenfels Torgau“ empfohlen. Es ist bei uns im Verein, Schlossstr. 19 oder in der Buchhandlung am Markt zu erwerben. Ein schönes Weihnachtsgeschenk!

Worüber muss jetzt weiter nachgedacht werden?
Zu fragen ist im Förderverein Europa Begegnungen e.V. und zwar gemeinsam mit den Sympathisanten des Vereins und den Fachkennern im Außenbereich, welche Rolle die Kunst bei der Verbreitung und Durchsetzung des Evangeliums und beim Vollzug der Neustrukturierung der kurfürstlichen Macht im Reformationsjahrhundert gespielt hat.
Als Ort für Vorträge und Diskussionen sollte weiter der Plenarsaal im Schloss Hartenfels dienen. Als Zeitpunkt dafür scheint uns jeweils jährlich der 5. Oktober geeignet zu sein, da um diesen Tag herum das Stadtfest „Luthers Kirchweih“ in Torgau durchgeführt wird. Als Verein helfen wir mit unserer Veranstaltung, das Kirchweih-Fest zu bereichern.
Aussagen, die im Förderverein Europa Begegnungen e.V. im nächsten Jahr weiter zu untersetzen sind, seien formuliert:
Die Kunst half in der Zeit des Renaissance-Humanismus mit, die Reformation in Kirche und Staat anschaulich, fasslich und somit öffentlichkeitswirksam zu vermitteln. Die Kunst war zur Zeit Luthers und der Kurfürsten durchaus ein Instrument der landesweiten Konfessionalisierung geworden. Die Cranach-Werkstatt, die als ein Unternehmen aufgestellt war, beteiligte sich daran.
Bekannt ist, dass in Torgau und seinem Schloss, dem politischen Zentrum der Lutherischen Reformation, intensiv konfessionalisiert wurde. Die Erneuerung von Kirche und Staat wurde von hier aus geplant, organisiert und auch kontrolliert vorangetrieben.
Wenn die Kunst auch als ein Konfessionalisierungsinstrument angesehen wird, dann müssen uns deren Werke im Torgauer Schloss noch heute unübersehbar entgegentreten.
Wir haben folglich konkret zu besprechen, auch über Archivalien nachzuweisen und zu markieren, dass außer Luther und die Fürsten hinzutretend die Künstler wie die Baumeister, Bildhauer, Rotschmiede, Maler und Teppichwirker ihren Anteil an der Durchsetzung der Reformation in Kirche und Staat hatten.
Wohlgemerkt, es ist für das Schloss Hartenfels nachzuweisen, wie im Werk des Künstlers die Bereiche „Glaube“ und „Macht“ vereint wurden und wie zum anderen Inhalte des neuen Glaubens einerseits und Elemente kurfürstlicher Macht andererseits vorgestellt sind.
Den Arbeitsgegenstand im Förderverein Europa Begegnungen e.V. benennen wir nunmehr mit „Glaube, Kunst und Macht“.
Diesem ist nunmehr über eine längere Zeit hinweg im Verein nachzugehen. Ein spannendes Vereinsleben steht uns bevor.

Dr. Uwe Niedersen



Lucas Cranach d.Ä., dem Bild „Elias und die Baalspriester“ (Kopie von V. Pohlenz) entnommen

„Kirchweih-Kolloquium“ – Blick ins Auditorium