Aus dem Bericht der Tochter des Begegnungssoldaten von Torgau Hauptmann Wassili Neda, Frau Svetlana Shishemorova, geb. Neda

(Niedersen, Uwe: Soldaten an der Elbe, Dresden/Torgau 2008, S. 97-98)


Die legendäre Robertson-Patrouille vollzog am 25.4.1945, 16.00 Uhr die dann weltweit bekannt gewordene Begegnung der Alliierten an der Elbe. Es waren der Gefreite Frank Huff; Corporal James McDonnell; Leutnant William Robertson und der Gefreite Paul Staub.
Robertson, Huff sowie Titow und Peck, letztere waren zwei ehemalige Insassen des Militärgefängnisses Fort Zinna in Torgau, kletterten über die verbogenen Stahlbögen. Sie trafen auf der Brücke einen Sergeanten, der den Namen Nikolai Andrejew trug und der sich gleich weiter zur Westseite bewegte. Dort standen am Jeep Staub, McDonnell und Berruti; letzterer auch aus dem Fort Zinna. Auf der Ostseite trafen Robertson und die anderen auf Hauptmann Neda, Leutnant Silwaschko, Leutnant Babitschew, Leutnant Kuzminskij. Auf der Elbwiese, in Höhe des vierten 50m-Brückenbogens reichten sich die genannten Soldaten beider Armeen auf der Elbwiese die Hand. Gegen 17.00 Uhr brach die Robertson-Patrouille wieder auf, um zu den eigenen Linien an die Mulde zurückzukehren. Mit ihr fuhren vier Sowjets, um die Amerikaner zum Kommandeurstreffen am nächsten Tag nach Torgau einzuladen.
Während der Begegnung am 25.4., nachmittags, traten, nach einem Anruf durch Neda herbei geholt, der Kommandeur des 173. Gardeschützenregimentes, Major Jefim W. Rogow und sein Stellvertreter, Major Anfim P. Larionow, hinzu. Man hatte möglicherweise nach Rücksprache mit dem Stab der 58. Gardeschützendivision entschieden, die Einladung der Roten Armee an die Vertreter der US-Armee durch Larionow, Neda, Silwaschko, Andrejew direkt überbringen zu lassen. Robertson hatte gesagt, sein CP sei nur 15 km entfernt, doch meinte er wohl Meilen.

Bataillonskommandeur Major Victor G. Conley, der einige Tage zuvor in Leipzig gekämpft hatte, erlebte, wie Robertson vier Sowjets aus Torgau mit in den CP des Bataillons nach Wurzen brachte. Er dachte, es seien betrunkene “Ost-Arbeiter“. Sofort informierte er Oberst Charles M. Adams, geboren 1889 in Pittsburgh, Pennsylvania, im CP des 273. Infanterie Regiments in Trebsen. Man fuhr zusammen nach Trebsen. Adams, sichtlich stolz über das Zusammensein mit „richtigen Russen“ präsentierte die russischen Emissäre der wartenden Reporterschar.
Nachzutragen wäre, dass auf der Fahrt zu Robertsons CP die vier Russen nach 15 km stoppen ließen. Kein CP der Amerikaner war zu sehen; vielmehr Wehrmachtsgruppen, die an den Robertson Leuten und den Russen gar keinen Anstoß nahmen und westwärts marschierten. Als die Russen von Robertson vernahmen, dass der CP 40 km entfernt wäre, fühlten sie sich überrumpelt. Larionow beriet sich sofort separat mit den anderen drei Rotarmisten. Einig waren sie sich darin, wenn es denn sein müsse, wollten sie kämpfend fallen. Sie hatten nur die Pistolen mitgenommen und zufällig noch eine einzige Handgranate dabei. Die mangelhafte Bewaffnung wurde ihnen später von den eigenen Leuten ernsthaft vorgeworfen.

Adams jedenfalls lud zu einem kleinen Imbiss ein. Larionow sprach leider kein Wort Englisch, obgleich der russische Korpschef, General Gleb Baklanow, in den Tagen vor der Begegnung forderte, nur auf solche Kämpfer zurückzugreifen, die auch Englisch beherrschen würden. Die gab es wohl nicht.
Vom CP des Regiments wurden die vier Russen zum CP der 69. Infanteriedivision nach Naunhof weiter gereicht, Kommandeur war dort Generalmajor Emil F. Reinhardt, geboren am 27.10.1888 in Bay City, Michigan. Robertson ist dort nicht mehr zu sehen. Er war von Reinhardt schon in Arrest gesteckt worden, weil er seinen Patrouillengang unerlaubt bis zur Elbe nach Torgau ausgedehnt hatte.

Da aber alle „großen“ Generäle über Reinhardt, vor allem aber Generalleutnant Hodges und 4-Sterne General Bradley „entzückt“ über den physischen Kontakt mit den Sowjets waren, wurde Robertson gleich wieder „begnadigt“. Kotzebue, der das gleiche Problem bekam, sollte es ähnlich ergehen. Maraist, Reinhardts Stellvertreter meinte jedoch, es würde ziemlich dämlich aussehen, wenn der Mann der ersten Begegnung mit den Russen vor ein Kriegsgericht gestellt werden würde.

Die Einladung der Sowjets, zu deren Linien zu kommen, wurde natürlich angenommen. Reinhardt entschied: Adams solle sich am 26.4., 10.00 Uhr mit dem sowjetischen Regimentskommandeur, Major Rogow in Torgau, Ostseite der Elbe, in den russischen Linien treffen. Später wolle er sich selbst, um 16.00 Uhr mit dem Divisionskommandeur, Generalmajor Rusakow zum Generalstreffen am gleichen Ort einfinden.
Im CP in Trebsen hatte Neda seinen Alexander-Newski-Orden, das Abzeichen auf seiner Bluse, übrigens eine sehr seltene Auszeichnung, Robertson geschenkt. Sein Politkommissar hatte ihn dafür gescholten. Der Orden gehöre nicht ihm selbst, sondern dem ganzen sowjetischen Volk. Die Auszeichnung musste zurück. Robertson wurde aber dann von den Russen in Leipzig (nach dem 9.5.1945) offiziell mit dem Alexander-Newski-Orden ausgezeichnet. Neda am Kriegsende nach Hause zurückgekehrt, kam wegen einer Nichtigkeit ins Gefängnis nach Odessa. Er war in jenen Jahren für die Bewachung von Zügen verantwortlich; dabei transportierte er in jener Zeit der Hungersnot in der Ukraine einmal einen Sack Kartoffeln für seine Familie, ein Geschenk seiner Verwandtschaft. Eineinhalb Jahre bekam er dafür. Er wurde später rehabilitiert und noch zum Major der Reserve befördert. Teilnahmen an Veteranentreffen mit den Amerikanern wurden ihm allerdings nie gestattet. Er starb 1992.

Larionow, geb. 13.9.1906 in Podsosenki, Jaroslawsker Gebiet war kein Frontkämpfer. Aufgrund der unübersichtlichen Verhältnisse während der Oktoberrevolution ging er bis zur 5. Klasse zur Schule; viel später, 1937, erfolgte der Besuch der Hochschule des NKWD in Moskau. Larionow war für „Personalfragen“ im Regiment zuständig.

Es seien hier folgende Tatsachen mitgeteilt: Nach dem Überbringen der Einladung zu den sowjetischen Linien zurückgekehrt, wurden Larionow und Neda durch eine sowjetische Partei- und Militär-Kommission Gutgläubigkeit den Amerikanern gegenüber vorgeworfen. Sie wären über die 15 km hinaus gefahren; hätten nur Pistolen dabei gehabt; trafen sich mit höherrangigen US-Militärs. Als „kleine“ Offiziere toasteten sie mit denen sogar. Das war anderen, den russischen Generälen vorbehalten.

Larionow und auch Neda blieben zwar gemäß des Urteils der Kommission Mitglied der Kommunistischen Partei, doch wurden sie in die „Offiziersreserve“ versetzt. Larionow wurde dann allerdings nach der Torgau-Begegnung wegen alkoholischer Exzesse und begangener Vergewaltigung aus der Partei ausgeschlossen, aus der Offiziersliste seines Regiments gestrichen und einer anderen Einheit zugeteilt.