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Geschichte der
Festung Torgau
Die Stadt Torgau besaß seit dem 12./13.
Jahrhundert einen Stadtumzug (Abb. 1 u. 2). Reste der
Zwingermauern aus Naturbruchsteinen (Porphyr; Granit) mit Scharten,
Rondellen, bastionsartigen Vorsprüngen und nassen Gräben sind noch
heute im Bereich „Schloss, Alte Kanzlei, Stadtkirche“ auffíndbar.
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Abb. 1 u. 2:
Reste der Stadtmauer aus dem 14./15. Jahrhundert; gefunden
bei Schachtarbeiten am Ort des Zusammentreffens der heutigen
Wittenberger Straße / Georgenstraße / Friedrichplatz. Die
abgebildeten Mauerreste sind zu besichtigen. (Fotos:
Bräunlich) |
1344 wurde die Bürgerwehr er Stadt, die Torgauer Geharnischten
gegründet. Die Stadt schützte sich gegenüber Räuberbanden und
anderen Vagabundierenden.
Eine sehr alte Ost-West-Fernhandelsstraße (12. Jahrhundert) von der
Weichsel und der Oder, etwa von Frankfurt nach Leipzig, verlief
direkt durch Torgau. Zuerst wurde noch eine Furt genutzt, doch
spätere Brücken über den Elbefluss sorgten dafür, dass diese
Verbindung beständig wurde. Aufgrund der zunehmenden
wirtschaftlichen und politischen Bedeutung sowie der
geostrategischen Lage der Stadt an der Mittleren Elbe war eine
Stadtbefestigung und ein dauerhaft verlässlicher Elbübergang
notwendig geworden.
Wir können hier
konstatieren, dass die Geschichte der Torgauer Elbbrücke als ein
Monument der militärischen Sicherung der Stadt Torgau angesehen
werden kann.
Kriegswirren im 17.
Jahrhundert verlangten die Errichtung einer Schanze auf der
Elbostseite zum Schutz der Brücke. Eine Brückenschanze oder ein
Brückenkopf ist eine Befestigung auf dem feindwärtigen Ufer vor
einem zu verteidigenden Flussübergang.
Unter
Friedrich dem Streitbaren (1381-1428) soll eine hölzerne Elbbrücke
errichtet worden sein. Ein nachweisbarer Brückenbau erfolgte dann
unter dem Kurfürsten Friedrich der Weise nach 1500. Ungewiss bleibt,
ob bereits diesen ersten Brücken Schanzen vorgelegt waren.
Zu Beginn des
Dreißigjährigen Krieges waren in Sachsen nur die Festungen
Dresden-Neustadt, Sonnenstein bei Pirna und der Königstein stark
befestigt. Die übrigen Städte hatten lediglich eine (oftmals)
vernachlässigte mittelalterliche Mauerumwallung.
Der Sächsische Hof beschloss nach Ausbruch jenes Krieges, mehrere
Städte zusätzlich zu befestigen. Wilhelm Schäffer, genannt Dilich
(1575–1656) trat 1625 in sächsische Dienste, avancierte vom
Festungsbaumeister, zum Oberlandbaumeister und entwarf (nach Hansch)
die Pläne für die Festungsbauten in Wittenberg, Dresden und Torgau.
Die Planung der ersten Brückenschanze vor der Torgauer Elbbrücke
geht auf Dilich während des Dreißigjährigen Krieges zurück.
Dilich war überhaupt der Planer und die Aufsichtsperson für den Bau
der ersten Festung in Torgau. Das geschah, nach 1630, während der
Regierungszeit des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I.
(1611-1656) und während, wie gesagt, des Dreißigjährigen Krieges
(Abb. 3). Da Dilich die Befestigungen für Torgau plante,
können wir davon ausgehen, dass das, was der Riss von Matthäus
Merian, 1650, (Abb. 4)
aufzeigt, genau auf den genannten sächsischen Festungsbaumeister
zurückgeht. Dilich war 1650 noch im Amt.
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Abb. 3: Ansicht der Stadt Torgau von Norden,
Kupferstich von Matthäus Merian, 1650. Der Brücke ist die
Schanze vorgelagert; erkennbar ist die Umwallung, das
nördliche Tor sowie ein Gebäude (wahrscheinlich Wachhaus) im
Inneren der Schanze. |
Abb. 4: „Grundriß der Statt Torgau“; Kupferstich von
Matthäus Merian, 1650. Die Schanze (östlich) wird durch die
vier rhomboiden Bastionen markiert. Von der
mittelalterlichen Stadtbefestigung abgerückt wurden jeweils
Halb- und Vollbastionen im Nord- und Südbereich errichtet. |
Der Plan von
Matthäus Merian zeigt die Leistungen Dilichs als Baumeister der
Festung Torgau: Im Osten versperren die Brückenschanze und die
Elbe, als ein natürliches Hindernis, einem Eroberer den Zugang zur
Stadt. Die Schanze bestand aus vier Bastionen und einem tiefen
Wallgraben (Abb. 3 und 4). Im Südwesten, im Westen und im
Nordwesten fand Dilich Wasserhindernisse vor, die er mit einplante,
um das Vorrücken feindlicher Truppen zu verhindern: Ziegelteich und
andere Teiche im Südwesten; ein angestauter Schwarzer Graben, der
westlich an der Stadtmauer entlang führte. Etwa 300 Meter davor
floss von Süden nach Norden der Neusorger Graben (auch Weinberg
Graben genannt) als ein Nebenarm des Schwarzen Grabens, der sich
dann nordwestlich wieder in denselben ergoss. Dieser Graben und
andere kleinere Nebenarme waren weitere Wasserhindernisse. Im Süden,
Richtung Loßwig, gab es eine an die Elbe angelehnte Halbbastion und
eine durch die Kurtine verbundene Vollbastion mit einem kurzen Stück
nassen Wallgraben. Ein weiteres Kurtinenstück der Vollbastion war
direkt mit der mittelalterlichen Stadtmauer und dem dortigen Graben
am Fischertor verbunden. Die Stadtmauer vom Fischertor zum Leipziger
Tor war nicht so stark befestigt wie die übrige Stadtumfassung.
Diese Seite der Stadt wurde ja durch die südwestlich gelegene
Anreihung mehrerer Teiche geschützt. Die westlich und nördlich
errichtete Stadtmauer erscheint wiederum ausgebauter. Das
Leipziger-, das Spital- und das Bäckertor besaßen Wachtürme. Etwa
vom Spitaltor ab, zog sich eine zusätzliche, vor der Stadtmauer und
dem Stadtgraben gelegene Wallaufschüttung bis zu dem Ravelin vor dem
Bäckertor hin. Diese Teilbefestigung war so etwas wie ein Außenwall.
Eine Tambourierung erhielt das Schloss Tor. Ihr folgte eine
Palisadierung, die bis zur Elbbrücke reichte. Abgerückt von der
Stadtmauer, etwa 250 bis 350 Meter, zwischen Elbe und dem Schwarzen
Graben, lag nördlich die bedeutendste Außenbefestigung: zwei
Halbbastionen, jeweils an die Elbe und westlich an einem Graben
angelehnt; dazwischen dann drei Vollbastionen, die die Wege und das
Vorfeld der Stadt kontrollierten. Wichtig erscheint uns darauf
hinzuweisen, dass es eine wassertechnische Vorrichtung gab, den
Schwarzen Graben anzustauen; zu vermuten sind Schleusen am Großen
Teich, welcher schon damals als Wasserreservoire zum Anheben der
Wasserstände in den Gräben und in den verschiedenen Teichen diente.
Mitzuteilen ist, dass inmitten des Dreißigjährigen Krieges Johann
Georg I. von den Schweden weg zu den Kaiserlichen hingeschwenkt war
(Prager Frieden, 1635). Schweden führte sich fortan als ein
erbitterter Gegner Sachsens auf.
1637
brannte der schwedische General Banner bei seinem Abmarsch aus
Torgau (u. a. auch) die Elbbrücke und die hölzernen Einbauten der
Schanze ab. Da gleich mehrere der sächsischen hölzernen
Elbbrücken zerstört waren, benutzte das Sächsische Heer neben Fähren
auch „Kurfürstliche Schiffsbrücken“, um die Elbe jeweils überqueren
zu können. Im September 1644 wurde ein solches Provisorium in Torgau
errichtet.
Fest
steht, dass die in Torgau errichteten Befestigungen nach dem Abzug
der Schweden, 1642, in einem desolaten Zustand gewesen sein
müssen.
Noch unter dem Kurfürsten Johann Georg I. wurde der enormen
Schäden des Krieges nach und nach begegnet. Torgau bekam die auf
Dilich zurückgehende Befestigungsstruktur zurück. Der sächsische
Kondukteur Egerland (Bediensteter des Kriegsbaukunst) war 1647
beauftragt worden, die Wälle der provisorischen Gürtelbefestigung
wieder herzurichten. Er setzte sich damit nur schwerlich durch, da
die Torgauer, der Hungersnot Tribut zollend, auf den Wällen Gärten
zum Nahrungserwerb angelegt hatten.
Es geschah dann in der
Regierungszeit von Kurfürst Johann Georg II. (1656 – 1680) in der
die zerstörten Mauern und Türme (auch) der Stadt Torgau erneuert
wurden. Unter dem Ingenieur-Offizier, Hans Kuffer, der zugleich
Kommandant von Torgau geworden war, wurde ernsthaft an der
Wiederherstellung der Befestigungen gearbeitet. Dilich starb
1656. Sein Nachfolger im Amt wurde Wolf Caspar Klengel, den Kaiser
Leopold aufgrund seiner Verdienste 1664 adelte. Torgau unter
Kuffer und Klengel erhielt 1666 wieder eine Elbbrücke und eine
Schanze. Kuffer und von Klengel haben neben den Projekten, Neubau
der Elbbrücke sowie der Schanze von Torgau, ab 1666, neben Techniken
für eine gedeihliche Teichwirtschaft auch eine zentrale Stau- und
Abflussmechanik am Großen Teich errichten lassen.
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Abb. 5: Brückenschanze, 1686, mit zwei Toren; über
das nördliche Tor (links) sind Orte wie Wittenberg, Berlin;
Herzberg, Frankfurt/Oder und Großenhain, Dresden erreicht
worden. Die Bastionen zeigen jeweils acht Scharten und die
Kurtinen weisen mehrere (wahrscheinlich) Feuerstellungen
auf. Weiter ist der breite, mit der Elbe direkt verbundene
Wallgraben auffällig. Die Parzellierung und Nummerierung
der Flächen um die Schanze deuten auf eine amtliche
Ermittlung der dortigen Besitzverhältnisse hin. |
Interessant ist
ein heute noch vorhandener Wappenstein in dem Mauerwerk aus
Sandsteinquadern am Großen Teich, der (s.u.) gelegentlich der
Führung II vorgestellt wird.
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Abb. 6:
Brückenschanze, 1709; der Zufluss des Wassers aus der
Elbe wird jetzt durch eine Schleuse geregelt. Das Profil
des Walls (links unten) zeigt die übliche Anordnung:
Hauptwall, Graben, gedeckter Weg, der feldseitig
palisadiert ist. Der dargestellte Wallquerschnitt
(links unten im Bild) ist nur bezüglich der hier
vermaßten Geometrie akzeptabel, doch als Regelprofil
unrealistisch. Bei der Annahme, dass der Hof des
Brückenkopfes mindestens die Höhe des umgebenden
Geländes hat, (aus Sicht der Hochwassersicherheit sollte
er etwas höher liegen), ergibt sich für das Glacis eine
viel zu große Höhe und ein ungemeines Defizit in der
Maßebilanz. |
Johann Georg III.
(1680-1691) begann mit der Errichtung des ersten stehenden
Sächsischen Heeres, über 10 000, später etwa 20 000 Mann stark. Das
war eine Konsequenz, die aus der erlebten Not und Erniedrigung
während des Dreißigjährigen Krieges in Sachsen gezogen wurde.
Pläne belegen, dass die Schanze in Torgau nach 1686 wiederum
erneuert wurde. Ein Plan (Abb. 5) enthält den Eintrag.
„H.A.N., Conduct: fecit dië 18 Juny 86“.
Das bedeutet: ein
Hermann August Nimburg, Kondukteur signierte am 18. Juni 1686 seinen
Planentwurf zur Erneuerung der Brückenschanze. Die städtische
Befestigung ging bis Ende des 17. Jahrhunderts alles ihrem Verfall
entgegen.
In der Regierungszeit des Kurfürsten Friedrich
August I. (August der Starke) (1694–1733) wurden während des
Nordischen Krieges,
1700 bis 1715, wiederum festungsbauliche Instandsetzungen und
Ergänzungen an der Brückenschanze in Torgau vorgenommen. Torgau
sollte 1702 in den Verteidigungszustand versetzt und ein Lager für
5.000 Mann eingerichtet werden. Angekündigte Maßnahmen, die
nicht vollzogen wurden.
Der Grundriss der
Torgauer Elbschanze von 1709 wurde von J. L. Solgernlandt „in Riss
gebracht“, siehe Abb. 6.
Die gemäß des
Plans ein Jahr später ausgeführten Arbeiten hatten das Ziel, den
Graben zu vertiefen. Die anfallende Erde wurde zum „Anschütten“ des
Glacis verwendet. Der Graben konnte durch eine Zuführung von der
Elbe her und die Dazwischenschaltung einer Schleuse kontrolliert
gewässert werden. Des weiteren wurde vor den beiden Torbereichen
palisadiert, so dass jeweils dort ein Tambour-Hof entstand. Der
bedeckte Weg sowie die Waffenplätze wurden erweitert. Die Bastionen
erhielten Batterien, hier jeweils bis zu acht Geschützstellungen.
Die Durchfahrten (Torbereiche) waren mit Holz überdeckt worden, und
die Straße im Bereich der Tore gepflastert. Der Brunnen im
Innenbereich erhielt hölzerne „Röhren“ zum gezielten Ableiten
des Wassers.
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